- Rohstoffe: Wirtschaft, Politik und Umwelt
- Rohstoffe: Wirtschaft, Politik und UmweltDer Handel mit Rohstoffen ist beinahe so alt wie die Menschheit. Wurden zu Beginn lediglich Rohstoffe getauscht, etwa Feuerstein gegen Salz, so setzten die Menschen der Antike bereits Rohstoffe als Zahlungsmittel ein und prägten die ersten Goldmünzen.Lange Zeit gab es eine enge Verbindung zwischen Rohstoffreichtum und Wohlstand. Schon bei frühen Hochkulturen, beispielsweise den Inkas oder Azteken, galt das Edelmetall Gold als Handelsware und Statussymbol. Ob Konquistadoren, Kaiser, Könige oder schlichte Goldgräber — besaßen sie Gold, verlieh es ihnen Reichtum und Macht. Noch deutlicher wurde dieser Zusammenhang zwischen Rohstoffreichtum, Wohlstand und sozialem Status, als die Industrialisierung nach Rohstoffen aller Art verlangte. Staaten, die über Kohle und Erze verfügten, prosperierten. Heute hat sich die Situation gewandelt: Rohstoffreiche Länder sind gewöhnlich arme Entwicklungsländer, reiche Länder dagegen importieren Rohstoffe und verarbeiten sie zu Produkten.Nach wie vor gilt jedoch, dass um Rohstoffe Kriege geführt werden: Ungeachtet der Selbstbestimmungsrechte und Völkerverträge ging es im Golfkrieg um kuwaitische Ölvorkommen. Um Rohstoffe geht es auch bei Separationskriegen: Würde die Türkei etwa den Kurden Autonomie gewähren, gingen zugleich die reichen Bodenschätze Kurdistans, Erze, Kohle und Erdöl, verloren.Riskanter Handel am RohstoffmarktWer heute im Rohstoffmarkt tätig ist, agiert auf schwierigem Parkett. Generell gilt auch hier, dass Angebot und Nachfrage die Preise diktieren. Auf der Seite des Angebots stehen die Vorräte an Rohstoffen und deren Verfügbarkeit — nur schwer zu kalkulierende Faktoren. Die Suche nach Rohstoffen, das Klären der Abbaurechte sowie der Aufbau der Infrastruktur benötigen eine oft riskante Finanzierung. Kann der Rohstoff endlich abgebaut werden, gelten vielleicht neue Umweltgesetze, greifen wirtschaftliche Sanktionen oder die Preise liegen so weit unten, dass sich der Abbau nicht mehr lohnt.Mitunter sorgen Kartelle der Exportländer für eine gewisse Stabilität des Marktes. Das wohl bekannteste und wohl auch einzige Beispiel für ein Rohstoffkartell von Exportländern ist die OPEC. Sie konnte 1973 und 1978/79 erheblich höhere Preise für Erdöl durchsetzen — in den Importländern wurde diese Phase als Ölkrise bezeichnet. Für eine Kartellbildung ist eine wesentliche Voraussetzung, dass die beteiligten Länder ihre nationalen Interessen so weit wie möglich hinter die Ziele des Kartells zurücksetzen. Allerdings zeigen Kriege zwischen OPEC-Ländern wie Irak und Iran oder Irak und Kuwait, dass solche Kartelle nicht unbedingt von Dauer sind.Die Vereinten Nationen gründeten bereits 1964 die Welthandels- und -entwicklungskonferenz UNCTAD (UN-Conference on Trade and Development) als Forum für die Interessen der Entwicklungsländer. Inzwischen ist ein anderes Vertragswerk, das allgemeine Zoll- und Handelsabkommen GATT (General Agreement on Tariffs and Trade), weitaus wichtiger. GATT soll im internationalen Rohstoffgeschäft die Interessen zwischen unbeschränktem Freihandel und dem Schutz der nationalen Interessen von Industrie- und Entwicklungsländern, dem Protektionismus, ausgleichen. Seit 1995 achtet die Welthandelsorganisation WTO, die World Trade Organisation, auf das Einhalten der Verträge.Neben den Ländern, die sich in den Abkommen zu bestimmten Maßnahmen verpflichten, agieren auf den internationalen Rohstoffmärkten jedoch auch trans- oder multinationale Konzerne, die keinen staatlichen Abkommen unterliegen oder die Möglichkeit haben, diese zu unterlaufen. Eine weitere Unsicherheit sind die Rohstoffbörsen, an denen Preismanipulationen und Warentermingeschäfte den Handel mit Rohstoffen zu einem riskanten Geschäft machen. Da der Preis auch den Verbrauch von Rohstoffen beeinflusst, sind Prognosen nur schwer zu treffen.Wie abhängig der Rohstoffhandel heute vom internationalen Wirtschaftsgeschehen ist, zeigt die Krise in Asien Ende 1998. Damals fielen die Rohstoffpreise drastisch, da die ostasiatischen Staaten wichtige Abnehmer von Rohstoffen sind. Die Preise für Erdöl sanken deshalb Anfang 1999 auf den niedrigsten Stand seit Mitte der 1980er-Jahre. Von der Krise sind auch die lateinamerikanischen Länder betroffen, deren Export zu etwa 50 Prozent durch den Handel mit Rohstoffen bestimmt wird. Die Folge dieses Verfalls der Rohstoffpreise sind hohe Devisenverluste und der Versuch dieser Länder, die Einbußen durch gesteigerten Export auszugleichen. Da aber die internationalen Rohstoffmärkte bereits gesättigt sind, fallen die Preise dadurch weiter.Rohstoffpolitik und UmweltAls in den 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts in der BRD an vier Sonntagen die Autos in der Garage bleiben mussten, weil die damalige Regierung ein Sonntagsfahrverbot anordnete, erhielten viele Bundesbürger einen Eindruck, was es bedeutet, wenn Rohstoffe tatsächlich knapp werden sollten.Heute versuchen alle Industriestaaten, die Versorgung der Wirtschaft mit Rohstoffen so zu gewährleisten, dass selbst im Falle einer Krise für einen bestimmten Zeitraum Vorräte vorhanden sind. In Deutschland hält die Wirtschaft ein Sicherheitspolster in ihren Betrieben vorrätig. Die Vorräte reichen für einen Zeitraum von etwa 50 bis 90 Tagen. In den USA gibt es staatliche Reserven, den US-Stockpile, der große Mengen an Rohstoffen unterschiedlichster Art zum Teil für einige Jahre bereitstellt.Die Rohstoffpolitik der deutschen Regierung kann nach Dr. Lorenz Schomerung, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, so zusammengefasst werden: »Die Rohstoffversorgung ist nach wie vor ein entscheidender Eckpfeiler unserer Volkswirtschaft. Offene, transparente Weltrohstoffmärkte sind der beste Garant, um bei der Versorgung mit Rohstoffen eine Kontinuität zu angemessenen Preisen sicherzustellen. Die Bundesregierung wird deshalb ihre marktwirtschaftlich orientierte Rohstoffpolitik fortsetzen.«Ausblick auf eine nachhaltige EntwicklungÜber die Kontrolle des freien Rohstoffhandels gibt es geteilte Meinungen. Westliche Produzenten- und Verbraucherländer arbeiten in der Europäischen Union, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Organisation for Economic Cooperation and Development, OECD) und in der WTO zusammen, um Eingriffe in den Welthandel zu begrenzen. Ihr Standpunkt: Nur der freie Markt gewährleistet die Rohstoffversorgung. Umweltschützern ist diese Politik zu kurzsichtig: Sie prognostizieren für das nächste Jahrhundert große volkswirtschaftliche Verluste, die mit der Beseitigung der Umweltschäden verbunden seien.Inzwischen zeigt das Engagement der Umweltverbände erste Früchte: So trat im November 1994, nach mehr als 25-jährigen Verhandlungen, das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (SRÜ) in Kraft. Am längsten rangen die Länder bei der Frage nach der Nutzung der Tiefsee außerhalb der 200-Seemeilen-Zone. Im Seerechtsübereinkommen gilt dieses Gebiet nun als »gemeinsames Erbe der Menschheit«. Am internationalen Seegerichtshof in Hamburg wurde eigens eine Kammer für Meeresbodenstreitigkeiten eingerichtet. Die unabhängige Kammer urteilt auch über die Umweltverträglichkeit von Bergbauaktivitäten.1990 trat die Konvention zur Regelung über die Nutzung der Antarktischen Mineralischen Ressourcen in Kraft. Diese untersagt den beteiligten Ländern — immerhin haben 39 das Abkommen unterzeichnet — jegliche Prospektion und Exploration von mineralischen Rohstoffen in den kommenden 50 Jahren.Als Vorreiter für Umweltverträglichkeitsprüfungen gelten die USA. Solche Prüfungen sollen die Auswirkungen von Bergbauprojekten auf die Umwelt abschätzen — und zwar vor Beginn eines größeren Projekts. Inzwischen gilt auch in Deutschland ein Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (UVPG), europaweit existiert zumindest eine entsprechende Richtlinie als Vorgabe. Der Bericht der Brundtland-Kommission für die Vereinten Nationen 1992 prägte den Begriff »nachhaltige Entwicklung«, auch bekannt als »sustainable development«. Die Kommission verstand darunter eine Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftigen Generationen daraus Probleme erwachsen. Auf der Umweltkonferenz 1992 in Rio de Janeiro wurde daraufhin die AGENDA 21 verabschiedet. Sie enthält insgesamt 40 — rechtlich allerdings unverbindliche — Kapitel zur Entwicklungs- und Umweltpolitik für das 21. Jahrhundert, das »Jahrhundert der Umwelt«.Die Materialwissenschaften leisten — zumindest indirekt — zu dieser nachhaltigen Entwicklung ihren Beitrag. In ihren Labors entstanden neue Werkstoffe wie elektronische und optoelektronische Funktionswerkstoffe, Memorylegierungen, Verbundwerkstoffe oder Hochleistungskeramiken. Die meisten dieser Materialien werden heute aus wenigen, häufig vorkommenden Rohstoffarten wie Silicium, Aluminium, Eisen oder Kohlenstoff hergestellt.Auch Recycling trägt dazu bei, die Lebensdauer einiger Rohstoffe zu verlängern. Mülltrennung und Wiederaufarbeitung von Altglas, Schrott und Plastikprodukten könnten in Zukunft an Bedeutung gewinnen und den Verbrauch an Primärrohstoffen reduzieren. Voraussetzung hierfür wäre jedoch, dass ausreichend Energie zu niedrigen Preisen zur Verfügung stünde.Um sowohl fossile Energieträger als auch die Umwelt zu schonen, könnten im nächsten Jahrhundert Alternativen wie Erdwärme und Sonnenenergie ihren Beitrag leisten. Sollte es gar eines Tages gelingen, mit Fusionsreaktoren umweltfreundlich und kostengünstig Energie zu erzeugen, würden die Prognosen über das Ende der Rohstoffvorräte noch optimistischer ausfallen. Etwa in der zweiten Hälfte des nächsten Jahrhunderts wird die Weltbevölkerung ihren Höchststand erreicht haben. Voraussichtlich im gleichen Umfang werden bis dahin auch die Produktion und der Verbrauch von Rohstoffen zunehmen. Die Wachstumskurve der Rohstoffproduktion wird allerdings nicht abfallen, da auch weiterhin mehr Konsumgüter produziert werden. Das resultiert unter anderem daraus, dass bis dahin auch die Entwicklungsländer ihren berechtigten Anspruch auf Wohlstand durchgesetzt haben werden.Die Reserven an Metallen und fossilen Energieträgern sind heute jedoch weitaus größer als vor 25 Jahren, als Meadows Buch »Die Grenzen des Wachstums« erschien. Außerdem haben die Bergbaufirmen begonnen, in noch unerschlossenen Gebieten am Ozeanboden oder in der Arktis Rohstoffe zu fördern. Aber auch hier ist umstritten, inwieweit die Umwelt durch solche Eingriffe irreparabel beeinträchtigt wird.Kommende Generationen werden ohne Zweifel Probleme mit den Vorräten an Rohstoffen bekommen. Auch wird es massive Umweltprobleme durch Verbrauch und Abbau geben. Durch denAnsatz der nachhaltigen Entwicklung lassen sich die Probleme jedoch eingrenzen und reduzieren. Dies bedeutet ressourcen- und umweltschonender Rohstoffabbau, verbrauchsarme Produktionsverfahren, Nutzen alternativer Energien, Substitution knapper Rohstoffe durch neue Materialien, optimierte Recyclingprozesse sowie rohstoffschonende Lebensweise. Noch fehlt es allerdings an der konsequenten Umsetzung.Dipl.-Geol. Dr. Thomas SchleddingGrundlegende Informationen finden Sie unter:Rohstoffe: Bedarf und VerbrauchBarsch, Heiner/Bürger, Klaus: Naturressourcen der Erde und ihre Nutzung. Gotha 21996.Stahl, Wolfgang: Die weltweiten Reserven der Energierohstoffe: Mangel oder Überfluß?, in: Energieforschung 1998. Vorlesungsmanuskripte des 4. Ferienkurses »Energieforschung« vom 20. bis 26. September 1998 im Congrescentrum Rolduc und im Forschungszentrum Jülich, herausgegeben von Jürgen-Friedrich Hake u. a. Jülich 1998.Windfuhr, Michael: Zum Beispiel Rohstoffe. Göttingen 1996.
Universal-Lexikon. 2012.